Dass es „die“ russische Revolution nicht gegeben hat, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Ich merke das immer daran, dass bei der Frage „welche Revolution?“ die russischen Kollegen alternativ zu 1917 auch 1905 im Blick haben, in der Bundesrepublik sozialisierte Historiker zwischen Februar und Oktober unterscheiden und dann noch diskutieren, was davon überhaupt eine Revolution gewesen sei und die mit der DDR-Forschung aufgewachsenen Kollegen gar nicht fragen und sowieso an die „Große Sozialistische Oktoberrevolution“ denken.
Alles ganz anders ist es natürlich in der Ukraine. Aktuell befinde ich mich hier zu Recherchen für die Revolutionsausstellung(en) in Zürich und Berlin. Es war durchaus strittig, ob diese Reise nötig ist und ich bin froh, dass es nun möglich ist, ukrainische Kollegen in die Vorbereitungen mit einzubeziehen. Kontakte bestehen zum Nationalen Film- und Fotoarchiv, dem Nationalen Historischen Museum und einigen Historikerkollegen von der Akademie, der Universität oder auch dem Institut für nationales Gedenken.
Angesprochen auf die Revolution fragt man sich hier als erstes, warum das überhaupt von Interesse sein sollte, da dabei ja doch nur (wieder) die russische Dominanz herausgekommen ist. Wenn man dann aber doch tiefer einsteigt, stößt man auf Begeisterung für die nationale Bewegung, die die Ukraine damals schon beinahe zu einem unabhängigen Staat gemacht hätte. Folglich spricht man dann auch von der „ukrainischen Revolution“.
Diese zu durchschauen, also die politischen Strömungen und Parteien sowie die wechselvolle Herrschaft über das ukrainische Gebiet in dieser Zeit, ist praktisch aussichtslos. Allein Kiew war, so liest man bei Michail Bulgakov, bis zu 14 Mal von den Roten, den Deutschen, den Partisanen, den Weißen, anarchistischen Truppen u.a. besetzt.
Daraus ergibt sich für mich die Herausforderung, diese sehr spezifische, ukrainische Entwicklung der Jahre 1917 bis 1922 in der Ausstellung anzusprechen, zumal sie für das Verständnis der Erinnerungskultur in der Ukraine und auch den Konflikt im Osten des Landes unabdingbar sind. Nicht jeder hat das Glück, eine so spannende Arbeit zu haben!